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Darf man als Yogi ein religiöses Tattoo tragen?

 

Ich bin gern tätowiert. Die Farben auf meinem Körper sind nicht nur bloße Dekoration sondern ein Ausdruck meiner Lebenseinstellung. Sie erzählen eine Geschichte. Meine Bilder gehören zu mir, sind Erinnerungen, Motivation und Verarbeitung.

 

Schon seit Jahren habe ich darüber nachgedacht mir einen Ganesha auf den Oberarm stechen zu lassen. Schon lange bevor ich mich mit der Yoga-Philosophie beschäftigt habe, hat Ganesha eine irre Anziehungskraft auf mich gehabt. Warum weiß ich nicht. Letztes Jahr war ich in Sri Lanka. Dort ist es verboten, religiöse Symbole auf dem Körper zu tragen. Ich habe lange über das Verbot nachgedacht und dann beschlossen, das ich mich von Ganesha auf meinem Körper verabschieden werde. Ich habe gedacht, wenn es in einem hinduistischen Land verboten ist, empfinden es die Menschen wahrscheinlich als Blasphemie. Jemandem mit meinem Körperschmuck zu verletzen, das wollte ich nicht.

 

In einer ganz schwierigen Phase in meinem Leben bin ich vor einem Jahr dann allein nach Bali gereist auf der Suche nach Antworten und nach mir selbst. Einige Antworten habe ich gefunden, einige auch nicht, mich selbst ganz sicher noch nicht. Was ich dort aber auch gefunden habe ist ein wunderschönes Bild von Ganesha, dass seither meinen Altar ziert.

 

In Ubud habe ich im Haus eines Künstlers gewohnt, der dieses Bild gemalt hat. Er ist über achtzig und hat mich mit so viel Liebe in sein Haus aufgenommen und mich in vielen Gesprächen so viel Demut gegenüber dem Leben gelehrt. Als er mir seine Bilder zeigte, war ich sofort verliebt in Ganesha. Seither steht er für mich für Bali und was mich die Insel gelehrt hat. Bali hat mir gezeigt, wie wichtig es ist im Hier und Jetzt zu leben. Ich habe gelernt, dass man manche Dinge einfach loslassen muss, egal wie schmerzhaft es ist, um wieder zu sich selbst zu finden.

 

Immer mehr kam in mir das Gefühl hoch, dass ich Ganesha als mein Symbol von Loslassen und Neuanfang als Teil meiner Geschichte auf meinem Körper tragen will. Daher hab ich mich vor 2 Monaten nun doch entschieden es zu tun. Hier ist das Ergebnis.

 

Seit ich es trage, habe ich mich wieder viel mit der Frage auseinander gesetzt, ob ich damit gläubige Hindus verletze, weil ich ein Symbol ihres Glaubens auf dem Körper trage.

 

Tattoos in Indien

 

Generell ist es wohl so, dass alle Regionen unterhalb der Gürtellinie als unrein gelten. Solltest du dich als für ein religiöses Symbol entscheiden, achte darauf, dass du dir eine Stelle am Oberkörper aussuchst. 

Die Tätowierkunst hat in Indien eine uralte Tradition. Seit Jahrhunderten gibt es dort Stammestätowierungen. Mit geometrischen Mustern werden Mythen und religiöse Inhalte dargestellt. Es gibt sie als Schutztätowierungen oder zu Heilzwecken. Die Lotosblüte als Symbol der Reinheit und Wiedergeburt ist weit verbreitet.

Zu hinduistischen Festen wie dem Kumbha Mela lassen sich vor allem junge Männer ein Tattoo stechen. Hier finden sich häufig Abbildungen hinduistischer Gottheiten.

So ist das Tattoo an sich in Indien etwas normales und nicht wie in Sri Lanka verpönt und verboten. 

 

Yogis und religiöse Symbole

 

Wenn man tiefer in die Philosophie des Yoga eintaucht, beschäftigt man sich viel mit hinduistischen Riten und Gottheiten. Yoga ist eine uralte indische Weisheitsleere und schöpft somit natürlich auch aus der Religion Indiens, dem Hinduismus. Im Bhakti-Yoga, dem Yoga der Liebe und Hingabe chanten wir Mantras in Sanskrit, welche indischen Göttern geweiht sind. Wir tragen Malas, hinduistische Gebetsketten und nutzen sie für die Japa-Meditation (Willst du mehr über die Japa-Mediation erfahren? Schau mal hier vorbei.). Auf unserem Yoga-Altar finden sich Bilder und Statuen hinduistischer Gottheiten. Wir führen hinduistische Rituale durch und unsere Bibel ist die Bhagavad Gita, welche eine zentrale Schrift im Hinduismus ist. 

Trotzdem sind die meisten Yogis keine Hindus. Ich selbst bin es auch nicht. Aber ich genieße es mich im hinduistischen Glaubenssystem zu vertiefen, schöpfe Kraft daraus und empfinde spirituelles Wachstum.

Erarbeite ich mir somit das Recht eine hinduistische Gottheit auf meinem Körper zu tragen? 

Ich weiß es nicht. Am Ende geht es ganz generell um die Frage, ob wir als Nicht-Hindus das Recht haben hinduistische Bräuche zu zelebrieren, oder damit den Glauben der Hindus verletzen. 

 

Was sagt ein Hindu dazu?

 

Da ich mir die Frage nicht selbst beantworten konnte und das Internet hierzu auch nicht viel hergibt, habe ich mich vor kurzem mit einem Freund von mir darüber unterhalten, der Hindu ist. Ok, er ist nicht sehr streng gläubig, aber im hinduistischen Glauben erzogen und somit zumindest in der Lage die Sache objektiv zu beurteilen.

Für ihn ist Ganesha auf meinem Arm kein Problem. Er fühlt sich dadurch nicht verletzt oder in seinem Glauben angegriffen. Auch ganz generell findet er es nicht schlimm, dass wir im Yoga hinduistische Rituale verwenden.

 

Was bedeutet das jetzt für mich?

 

Bedeutet ist das richtige Wort. Ich denke es hat einfach etwas mit der Bedeutung des Tattoos zu tun. Ich weiß wofür Ganesha ganz allgemein steht und er hat für mich eine ganz besondere Bedeutung. Ich trage nicht nur einen bunten Elefantengott auf meinem Arm, sondern ein Symbol für einen wichtigen Moment in meinem Leben. Sollte ich damit irgendwo anecken, kann ich zumindest erklären, warum ich es getan habe. 

 

Hier möchte ich gern die liebe Maria vom Blog ganzherzig zitieren, die ich zu diesem Thema befragt hab und deren Antwort für mich einfach den Nagel auf den Kopf trifft.

 

"Ich denke, es kommt immer auf die Intention an, die man hat. Wenn ich mir z.B. einen Ganesha tätowieren lasse, weil es mich an einen Neuanfang erinnert oder mir geistig hilft, ist es doch cool. Letztendlich sind dies ja auch nur Symbole und am Ende steht das Formlose, was in unserem Inneren ist. Die universelle Liebe, zu der uns ja jegliche Sadhana hinführen soll."

 

Auf ihrem Blog teilt Maria seit 2013 ihre Erfahrungen mit Yoga und Spiritualität, ganz liebevoll und frei von Dogmen. Maria hat auch die Worthy Woman-Gruppe auf Facebook gegründet, die uns wertvollen Frauen Raum für Gemeinschaft, Zufriedenheit und Mut bietet. Schaut unbedingt mal bei Maria vorbei. 

 

Findest du dieses Thema spannend und möchtest noch mehr über Tätowierungen erfahren? Auf dem Blog Miaboss findest du einen sehr spannenden Artikel zu diesem Thema. Er beschäftigt sich vor allem mit der Frage, ob sichtbare Tattoos beruflicher Selbstmord sind und was es mit dem Verbot der bunten Tätowierungen in der EU auf sich hat.

Absolut lesenswert!

  

Namaste,

 

deine Nadine